Logo The Retail Academy

10. Januar 2023 | Transformation Handel

Profilierung – mehr als nur ein Lippenbekenntnis

Neue Konzepte entstehen, alte Modelle, die sich der Konsumwirklichkeit entfremdet haben, verschwinden. Auch große Unternehmen, die als Konstante im täglichen Konsum gelten, sind nicht davor gefeit, sich immer wieder grundlegend zu hinterfragen. Der Erfolg von gestern ist kein Garant für eine florierende Zukunft. Ganz im Gegenteil. Die Geschichte zeigt, dass insbesondere etablierte und erfolgreiche Unternehmen oft den Anschluss an den Zeitgeist verpassen, weil sie sich auf die Stärken der Vergangenheit verlassen.

Doch wie gelingt eine (kontinuierliche) Transformation?

Die Antwort liegt nahe und doch so fern: Sie fängt beim Kunden an. Eine nachhaltige Profilierung entsteht durch eine nutzenstiftende Eigenständigkeit – d.h. in der Schnittmenge des Kundenmehrwertes und einer starken inneren Haltung des Händlers.
Dies bedingt jedoch, dass ein Händler ein klares Selbstverständnis besitzen sollte (nicht nur in den Strategiepapieren) und gleichzeitig einen inneren Antrieb, den Bedürfniskosmos der Menschen verstehen und gestalten zu wollen. Fatal, wenn ein Unternehmen ohne inneren Konsens sich dem Wettbewerb stellt.

Ohne Haltung schwindet die Relevanz

Fehlt eine klare Haltung im Unternehmen bzw. ein klares Profil nach außen, sind oft folgende Verhaltensmuster zu erkennen:

  • Die Kultur wird vernachlässigt. Damit ist unter anderem eine gemeinsame Sprache, der gute Umgang miteinander als auch die eingeräumte Zeit, um in Ruhe zu beobachten und zu verstehen gemeint. Fehlt das Öl im Getriebe, entstehen schnell Missverständnisse und Reibungsverluste.
  • Der fehlende Leitstern führt zu einer erhöhten Nervosität in der Organisation und damit einhergehend zu einer zentrifugalen Kraft in Richtung Einzellösungen in den Fachabteilungen. (Zu) viele Projekte werden initiiert; in ihrer Gesamtheit bilden sie oft kein Gesamtkunstwerk und überfordern die Organisation.
  • Das Unternehmertum nimmt kontinuierlich ab, weil es keinen Maßstab für das eigene Handeln gibt. Damit sinkt der Mut, Entscheidungen zu treffen und für sie einzustehen (deshalb blähen sich z.B. Sortimente auf).
  • Ein schleichendes Verlieben in die Details lenkt von der Klärung des Grundsätzlichen ab (z.B. Analyse von Cross-Selling-Effekten ohne die Zielkundschaft zu kennen).

Diese Verhaltensmuster tragen zu einer schleichenden Entfremdung bei – das Kundenbedürfnis tritt schrittweise in den Hintergrund, das Betriebsergebnis und die interne Politik in den Vordergrund. Symptomatisch ist dies zum Beispiel bei Ladenkonzeptentwicklungen zu beobachten. Die Anordnung der Sortimente erfolgt z.B. oft nach Effizienz- und Upselling-Kriterien, anstatt nach Profilierungs- und Kundennutzenaspekten.

Wie lässt sich die Entfremdung aufhalten?

Die Entfremdung lässt sich nur durch ein Innehalten und eine Selbstverortung aufhalten. Nur wer weiß, wofür er steht, kann den richtigen Weg einschlagen und einen Mehrwert für andere (und sich) erzeugen. Welche Schritte können hilfreich sein?

1. Entwicklung eines klaren Leistungsversprechens: Einfache und klare Formulierung der Existenzberechtigung und die anschließende Verankerung im Arbeitsalltag der Organisation.

2. Sicherstellung einer hohen Kohärenz: Sämtliche Botschaften und Leistungen (von der Sortimentierung bis hin zur Ladengestaltung) sind in der gleichen Sprache zu halten.

3. Gewährleistung einer Kontinuität: Die Botschaften sind über eine längere Zeit (im Kern) konstant zu halten, damit der Kunde die Chance hat, eine Beziehung mit dem Händler zu prüfen und bei Gefallen einzugehen.

Alles «no brainer»? Auf Papier ja, in der Umsetzung nein. Wir erleben oft, dass gerade die Formulierung des Leistungsversprechens sich unerwartet schwierig gestaltet. Lassen Sie das Management einmal unabhängig voneinander aufschreiben, für was das Unternehmen aus ihrer Sicht steht. In einem Satz. Je höher die Varianz, desto stärker das Indiz, dass die Profilierung über die Zeit hinweg verwässert worden ist. Wenn im Management unterschiedliche Bilder des Unternehmens verankert sind, dann wird auch das Bild zum Kunden hin einem Sammelsurium gleichen. Werbebotschaften, Ladendesign, Sortimentsleistung etc. greifen nicht mehr ineinander.

Selbstsprechend werden dadurch die oben aufgelisteten Punke 2 und 3 konterkariert. Ein gemeinsames Leistungsversprechen ist demnach der Kern einer Transformation.

Kundenorientierung fängt beim Kunden an

Wie lässt sich danach die Geschichte weiterschreiben? Die Herausforderung liegt im Verbindungsstück zwischen dem «Wollen» (Leistungsversprechen) und dem «Können» (und «Dürfen»). Das Instrument der Customer Journey kann dabei helfen, das Leistungsversprechen zu operationalisieren, indem:
1. mit Empathie die Kundenreise nachgezeichnet und verstanden wird,
2. die relevanten Touchpoints im Sinne des Leistungsversprechens (differenziert) bespielt werden.

Dabei ist zu empfehlen, die Touchpoints nicht aus einer reinen Kommunikationssicht zu skizzieren (z.B. Website, App etc.), sondern aus konsequenter Kundenperspektive. Hier fängt Customer Centricity wirklich an. Nicht der Kanal, die Technik oder das neu entwickelte Produkt steht im Zentrum der Überlegung, sondern der Mehrwert für den Kunden.

Wer vom Kunden her denkt, denkt zunächst nicht in wirtschaftlichen Dimensionen. Es geht darum, in die Bedürfniswelt des Kunden einzutauchen und dabei auch zu erkennen, was entlang der persönlichen Einkaufsreise – von der Bedürfnisentstehung bis hin zum Konsum – heute schon wichtig ist und wo die Ansprüche vom Handel noch nicht gedeckt werden. Dies konsequent im Korridor des Leistungsversprechens – was einer Verzettelung entgegenwirkt.

Wird dieser Gedankenprozess durchgespielt, werden die Fragen zur Ausprägung der Digitalisierung, Formate, Design, Ladenlayout etc. schrittweise beantwortet. Letztlich haben die Amazons und Alibabas unserer Zeit nichts anderes gemacht.

Wir wünschen viel Mut in der (eigenständigen) Neuinterpretation!

Und freuen uns, wenn Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen.
Welche Strategie verfolgen Sie für 2023?
Schreiben Sie uns – es interessiert uns wirklich!

post@the-retail-academy.com

Unser heutiger Kolumnist
Dr. Markus Schweizer

Geschäftsführer und Partner | HOLISTIC CONSULTING GMBH

Sein erstes Geld verdiente er mit dem Auffüllen von Supermarktregalen und später an der Kasse. Die Produktpreise mussten noch getippt und die Sonderangebotspreise jeden Montagmorgen memorisiert werden. Das Studium und die Promotion an der Universität St. Gallen eröffneten dann die Möglichkeit, Ökonomie und Psychologie zusammenzuführen und in den langjährigen Stationen bei tegut… gute Lebensmittel und bei der Migros in der Schweiz auf den Prüfstand zu stellen – sowohl in der Strategieentwicklung als auch in der Laden- und Regalgestaltung.

NEUE IMPULSE GESUCHT?

Unser Programm | Ausgewählte Veranstaltungen zum Thema

Material- und Farbtrends

Material- und Farbtrends

Retail Design am Puls der Zeit

03. August 2023

Was wir außerdem anbieten

Hier geht's zum Programm Weiterbildung

Noch Fragen

Anrufen: 0221 292129-20

SIE HABEN AUCH WAS ZU SAGEN?

Wir sind überzeugt, dass nur Experten mit Herzblut den Handel nach vorne bringen können. Damit alle, deren Herz für Retail schlägt, sich vernetzen können, haben wir The Retail Academy gegründet. Sie sind erfahren und haben auch eine Meinung? Lassen Sie mal hören! Beleben Sie unsere #Retailkolumne mit Ihrer Sicht auf die Dinge! Wir sind gespannt, was Sie zu sagen haben.

Wir lieben Retail. Schreiben Sie uns!

post@the-retail-academy.com

Die letzten Retail-Kolumnen

KI | Bilder, die die Welt verändern

KI – Bilder, die die Welt verändern

Kolja Pitz

Gründer | Plateau Candy

Am 16. März 2023 war es so weit: Das Update v5 von Midjourney, einer bildgebenden KI-Software, wurde live geschaltet und läutete ein neues Zeitalter der Bildproduktion ein. Die KI produzierte Bilder von derart haarsträubendem Fotorealismus, dass sie von echten Fotografien kaum mehr zu unterscheiden waren. Der Papst in einer Moncler-Jacke, ein frisch verhafteter Trump in Agonie – solche Bilder irritierten und begeisterten gleichermaßen auf den Social-Media-Plattformen, weil viele User sie schlicht für echt hielten. Bislang galt die Erzeugung von fotorealistischen Medien durch CGI/3D-Programme, (mit echten oder echt aussehenden) Menschen, als Königsdisziplin. Diese Produktionen waren langwierig, aufwändig und oft mit hohen Kosten verbunden. Das Update von Midjourney hat bereits jetzt spürbar das Ende dieser Ära eingeläutet…

mehr lesen

Lust auf Macht? | Frauen an der Spitze

Lust auf Macht?

Alexandra Hirsch

Former VP Indirect Procurement | DEUTZ AG

„Frauen in Führungspositionen“ ist ein heißes Thema, angetrieben durch den enormen Fachkräftemangel. Quoten wurden eingeführt, Frauengruppen in Netzwerken entstehen, Medien berichten immer mehr von erfolgreichen Frauen an der Spitze. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Über die Hälfte der Hochschulabsolvent:innen sind Frauen. Aber in den 200 größten Unternehmen Deutschlands beträgt die Frauenquote knapp 16%. An den Hochschulen sieht es mit einem Anteil von lediglich 27% Professorinnen nicht viel besser aus. Was passiert mit den vielen top ausgebildeten Frauen?
Diese Frage treibt mich auch nach fast 30jähriger Karriere in männerdominierten Unternehmen um. .

mehr lesen

Be(e)* sustainable – aber wie? | Nachhaltigkeit

Be(e)* sustainable – aber wie?

Rebecca Wolf

Marketing Managerin | casualfood GmbH

Als ich im Jahr 2020 ins Nachhaltigkeitsteam berufen wurde, war ich zugegebenermaßen zunächst eher skeptisch. Können wir in der Verkehrsgastronomie wirklich so nachhaltig arbeiten, dass wir eine komplette Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und sich mit unseren Inhalten ein kompletter Bericht füllen ließe?
*Was es mit den Bienen in unserem Nachhaltigkeitsbericht auf sich hat, darüber berichte ich gleich auch noch.

mehr lesen

Vom KÖNNEN zum WOLLEN | Selbstverwirklichung

Vom KÖNNEN zum WOLLEN

Beate-Christin Hastedt

Gründerin | Coaching Fabrik und ZwanzigEff

Selbstverwirklichung möchten wir auch im Job. Auswahlkriterien sind Sicherheit, Spaß und das eigene Können. Aber was ist, wenn man irgendwann mehr will, als das, was man KANN? Was ist, wenn man sein WOLLEN herausfinden möchte? Und einer Passion nachgehen möchte, die einen ganz neuen Weg für einen selbst einschlägt? Beate Hastedt sagt Ihnen, warum Sie immer die Wahl haben!

mehr lesen

Ein Hoch auf Angebotsprospekte | Digitale Angebotskommunikation

Ein Hoch auf Angebotsprospekte

Silvia Delonge

Head of Client Services | Territory GmbH

Wertvoll oder kostspielig? Wie sieht Retail-Marketing von heute aus? Ist gedruckte Angebotskommunikation noch en vogue? Oder sollte man besser auf Digital umstellen?
Silvia Delonge hat die Lösung parat und teilt uns mit, was wir vor lauter Optimierungsgedanken nicht vergessen dürfen: die Customer Experience. Denn manchmal macht’s die Mischung.

mehr lesen

Schließen Sie sich über 13.000 interessierten Retailern an!

Verpassen Sie keine Retail-Kolumne mit spannenden Meinungen von Handelsexperten und Branchen-Insidern und werden Sie als Erste informiert, wenn wir wieder neue Weiterbildungen in Form von Online-Vorträgen, Workshops und Retail-Touren freischalten.

Datenschutz

Fast geschafft! Bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über die E-Mail, die wir Ihnen gerade gesendet haben.