02. November 2022 | Schwerpunkt Freiheit, Status, Lebenstraum
Lang lebe das Autohaus!
Lange war das Autohaus der Ort, an dem sich Menschen den Wunsch nach Freiheit, Status und sogar Lebensträumen erfüllt haben. Würde man das heute auch noch so sagen? Vermutlich nicht.
Aber was hat sich verändert? Das Auto oder der Handel? Oder der Mensch?
Es ist keine Neuigkeit, dass sich die Automobilität inmitten einer großen Transformation befindet. Elektromobilität, Autonomes Fahren oder intelligentes Infotainment sind nur einige der Stichwörte.
Es gibt viele Veränderungen, und mit den Autos verändern sich auch die Orte, an denen wir ihnen begegnen. Fragen, die wir uns stellen, lauten zum Beispiel: Was passiert mit den vielen Tankstellen, wenn wir unser Auto nur noch zu Hause laden? Und was geschieht mit dem Autohaus, wenn ich mir auch von zu Hause aus, mein neues Auto kaufen kann?
Die Zukunft von Tankstellen und Autohäusern
Immer häufiger bemerke ich: Shared Mobility oder Micro Mobility sorgen schon jetzt dafür, dass es nicht mehr notwendig ist, in der Stadt ein Auto zu besitzen. Seitdem die Menschen nicht mehr täglich ins Büro fahren, haben viele von ihnen festgestellt, dass ihr Auto zunehmend ungenutzt herumsteht. Die Reaktion: Es entsteht eine interessante Dynamik, um das Konzept der individuellen Automobilität insgesamt. Vielleicht lohnt es sich sogar zukünftig, ein Fahrzeugpool mit den Nachbarn zu teilen?
Aber schnell zurück zum Handel. Hier stellt man sich schon länger die Frage: Wie lange wird es mir als Autohändler noch gelingen, den Kunden samstagmorgens mit der Familie in das Industriegebiet am Stadtrand zu locken, um ihm dort in einer Art großen Garage nach erfolgreicher Fahrzeug-Konfiguration am Monitor und mit dem Kleingedruckten im Zweijahres-Leasingvertrag belehrt, zu einem Autokauf zu animieren? Vielleicht dazu eine Tasse Nespresso?
Vermutlich immer seltener. Klar ist also, dass wir am Erlebnis Autokauf etwas ändern müssen. Näher am Kunden und unkompliziert soll es sein, sogar Spaß machen.
Revolution dem Autokauferlebnis
Aktuell entdecken neue Retail-Formate den Handelsplatz als Ort wieder neu für sich. Da wird der Händler zum Mobility Hub, zur Boutique, zum Marken-Showroom, Ausstellungsraum, Co-Working-Space oder sogar zum Club, in dem man gar keine Autos mehr kaufen kann.
Denn das Geschäftsmodell vom Ownership ist gerade auf dem Prüfstand. Flexibilität ist das neue Besitzen. Wir abonnieren ein Auto, und wenn es uns nicht mehr gefällt, dann geben wir es einfach zurück. Mit der kompletten Maintainance inklusive wird das Auto nicht mehr zum Investitionsobjekt, denn Eigentum verpflichtet. Wir kaufen Mobilität. Sorgenfrei und unkompliziert.
Schnell mal eine von drei Farben und eine Felge ausgewählt und das Interieur lieber klassisch sportlich in Schwarz oder elegant in Beige? Klick, schon bestellt.
Autopilot und Performance-Paket kann ich mir im Sommer on demand dazubuchen und über ein Over-The-Air-Update für zwei Monate im Probeabo testen.
Hoppla, jetzt haben wir schon wieder den Handelsplatz vergessen.
Unverbindlichkeit, Flexibilität und Spaß beim Autokauf
Das Autohaus muss also jetzt seinen Platz im Mobilitätsangebot der Automarken finden. Starke Konzepte, eingebunden in ein digitales CRM entwickeln.
Die gute Nachricht ist: Auch eine Marke wie Apple unterhält ein Netzwerk von Stores. Hier treffen sich die Hilfesuchenden und die Brand Community und vor allem kann man hier die Energie spüren, die Apple ausmacht.
Vielleicht sind demnach Stores notwendig, um das Markenerlebnis auch erlebbar zu machen. Um im Dialog mit dem Kunden zu stehen. Um eine „echte“ Marke zu sein.
Wie das aussehen kann, sehen wir gerade in China. Hier entstehen rund um die Autos ganze Markenuniversen in exklusiven und inklusiven Brand Houses.
Allerdings funktionieren die Markenhäuser nicht ganz stand-alone. Sie müssen in den direkten digitalen Dialog mit den Menschen eingebunden werden. In China wird der Kunde zur Teilnahme an einem Abendprogramm eingeladen oder kann selbst die Räumlichkeiten als Veranstalter buchen. Selbstverständlich kann jeder Member bei einem guten Kaffee oder Dinner auch einfach nur Gast sein.
Jetzt sind wir schon mittendrin in der Experience Economy.
Für Handelsplätze wird es also immens wichtig, über eine solide digitale Community zu verfügen.
Klar ist, dass es dabei dann bereits um mehr geht als um das Auto. Die Autohäuser werden ihre Angebote und Aktivitäten erweitern müssen, um über das Auto hinaus ein Versprechen einzulösen: Freiheit, Status und sogar Lebensträume.
Und jetzt Sie! Welche Anforderungen haben Sie an das Autohaus der Zukunft?
Schreiben Sie uns gerne, wir freuen uns wirklich über jede Nachricht!
post@the-retail-academy.com
Unser heutiger Kolumnist
Olaf Herrmann
Global Brand Strategy | Volkswagen Group
Als Marken- und Designenthusiast führte Olaf Herrmanns Weg von Autodesign über 360° Markenerscheinung zur ganzheitlichen Markenstrategie. Innerhalb des interdisziplinären Teams berät und unterstützt er die Marken des Volkswagen-Konzerns nicht nur eine starke und relevante Markenidentität und -Story zu entwickeln, sondern diese auch mit Impact auf die Straße zu bringen. Dabei hilft ihm seine langjährige Erfahrung als Interieurdesigner bei Volkswagen, Audi und Seat. Spannend wurde es, als er nach seinem letzten Fahrzeugprojekt, dem Golf 8, gebeten wurde, die Entwicklung einer neuen Markenerscheinung für Volkswagen im Creative Lead mitzubegleiten. Volkswagen bekam nicht nur ein neues Logo, das Erscheinungsbild sollte mit neuer Energie das digitale Zeitalter für die Marke einläuten. Auch in der jetzigen Rolle ist ihm die Verbindung von Markenstrategie und Design wichtig: „Wir müssen Design als Enabler für Markenerlebnisse verstehen. Es kann und muss nah am Kunden, aber vor allem mutig gedacht werden.“
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