25. Mai 2021 | Schwerpunkt Arbeitsmarkt in und nach der Pandemie
RUNTER MIT DEN MASKEN!
Partner – ifp | Institut für Personalberatung & Managementdiagnostik
Seitdem eine klitzekleine organische Struktur zum effizientesten Digitalisierungsmanager aller Zeiten mutiert ist, haben sich alternative Kollaborationsformen und angepasste digitale Workflows etabliert, die zuvor entweder unbekannt oder unbeliebt waren. So zoomen wir uns von Video-Call zu Video-Call immer tiefer in die neue kollektive Arbeitsrealität hinein, während wir im Home Office sitzend vor lauter Lieferdiensten mit dem Entsorgen der ganz und gar physischen Verpackungsberge kaum mehr hinterherkommen. Nun bringen auch noch per App gerufene, fahrradfahrende Gorillas die unbedingt in zehn Minuten dringend benötigten Kaffeebohnen vorbei. Auf dass wir hellwach und gemeinsam, aber einsam vor den kleinen und großen Bildschirmen in unserem heimischen Cocoon „always online“ und immer schön aufnahmebereit bleiben.
Arbeiten ist jetzt überall.
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass auch nach der Pandemie (wann glauben wir, wird dies eigentlich sein?) sehr viele jener auf Distanz zueinander basierenden Veränderungen Bestand haben werden. Remote Work ist allgegenwärtig und digitale Kanban-Boards haben sich gegen Klebezettel an Whiteboards auf breiter Front durchgesetzt.
Einsparpotentiale durch die anteilige Verlagerung von Büroflächen in die heimischen Gefilde werden garantiert genauso zielgerichtet gehoben, wie aus den Impfphiolen die letzten Tropfen gezogen werden. Es stellt sich mir die Frage, was dieser kollektive Evolutionssprung für das Management der so plötzlich veränderten Gewohnheiten und mithin das Besetzen der damit betrauten Leitungspositionen bedeutet.
Wenn mir heute ein Kandidat für eine Managementaufgabe auf die Frage, welche Führungsinstrumente er einsetzt noch immer antwortet, dass er „management by walking around“ liebt, dann werde ich hellhörig und versuche herauszufinden, ob und wie er in der neuen digitalen Arbeitswelt tatsächlich bereits angekommen ist?
Sucht er den Diskurs oder will er nur Tasten drücken? Software-Lösungen sind eben nicht die Antwort auf jede Frage, auch wenn die vielen aus dem Boden schießenden digitalen HR-Instrumente wie Online-Feedback-Tools für Kunden und Mitarbeiter es suggerieren wollen.
Führung ist jetzt überall.
Das Bewusstsein, dass es einen Unterschied macht, ob sich ein Vorgesetzter zum Beispiel für eine zeitgemäße Ausstattung und Anbindung des Heimarbeitsplatzes seiner Mitarbeiter interessiert oder eben nicht, ist heute viel entscheidender im Wettbewerb um Talente, als es zuvor vielleicht eine kulante Dienstwagenregelung war. Breitwand-Bildschirm statt Breitwand-Reifen – kostet weniger, bringt aber mehr für die betrieblichen PS auf der Überholspur der digitalen Autobahn.
Viel ist von Krisenverlierern und Krisengewinnern die Rede, meist bezogen auf Branchen wie Gastronomie auf der einen oder Online-Handel auf der anderen Seite. Weniger bekannt ist, wie sich die Pandemie auf die Besetzung von Führungspositionen auswirkt. Die Hobby-Virologen-Brille und die berufliche „Diagnose“ als Personalberater zeigen dabei dasselbe glasklare Bild: Niemand ist derzeit immun gegen den enormen Veränderungsdruck und deutlich gestiegene kommunikative, sowie fachliche Anforderungen im Rennen um die begehrtesten Positionen. Die Linsen der omnipräsenten Webcams scheinen dabei wie Brenngläser auf die Persönlichkeit der Bewerber hinter dem Bildschirm zu wirken. Die Methoden der Managementdiagnostik sowie der qualifizierte Blick auf die „Ressource Mensch“ sind gefragter denn je.
Runter mit den Masken!
Ohne große innere Veränderungsbereitschaft braucht derweil niemand seinen Hut für eine Top-Position in den Ring zu werfen, denn in den BWL-Seminaren und MBA-Kursen der Vergangenheit war die Lehrbuchwelt noch virenfrei. Stattdessen: Neben fachlicher Expertise als Hygienefaktor sehen wir heute hohe Erwartungen an die persönliche Wirkung in Off- und Online-Meetings. Eine spürbare Zugewandtheit und genuines Interesse am Gegenüber sind gerade angesichts weniger persönlicher Begegnungschancen essenziell. Authentisch sein! Gerade mit der heimischen Bücherwand und Geräuschkulisse aus Kinder-Kehlen und Hunde-Gebell im Video-Hintergrund gilt es, keine Maskerade zu betreiben. Speziell Führungskräfte sollten den für alle gleichermaßen veränderten Rahmenbedingungen, individuellen Befindlichkeiten und Lebensumständen ihrer Mitarbeiter mit emotionaler Intelligenz begegnen. Nie zuvor hatten wir Menschen so oft wie heute Masken an und waren gleichsam so gut beraten, uns in der ungewohnten räumlichen Distanz zueinander dennoch nahbar, also möglichst „maskenlos“ zu zeigen.
Kommunikative Qualität als Mittler von Botschaften auch in flexiblen digitalen Formaten tritt im Manager-Alltag deutlich in den Bildschirm-Vordergrund, wohingegen stoische Durchsetzungskraft in den Hintergrund rückt. Monologisierende Selbstdarsteller kommen in der virtuellen Kachelansicht schneller an das Ende der Aufnahmekapazität ihres Publikums, als im traditionellen Konferenzraum der Kaffee kalt wird. Zusehen ist das neue Zuhören in dieser laufenden größten Disruption der Arbeitswelt seit Einführung der Büro-Computer in den Achtzigern.
Bei allen digitalen Bits & Bytes zwischen uns bin ich fest davon überzeugt, dass Empathiefähigkeit und Feinfühligkeit als zentrale Moleküle mehr denn je über den Erfolg einer Manager-DNA entscheiden. Meine These ist: Noch nie waren die schon so oft bemühten „soft skills“ tatsächlich so wichtig für eine erfolgreiche Karriere wie heute.
Wie ergeht es Ihnen dabei?
Schreiben Sie mir an christian.lindner@ifp-online.de – mich interessiert es wirklich!
Unser heutige Kolumnist
Christian Lindner
Partner – ifp | Institut für Personalberatung & Managementdiagnostik Als Partner im ifp unterstützt Christian Lindner Unternehmen bei der nachhaltigen Besetzung herausgehobener Führungspositionen. Zuvor hatte er ab 2007 als Gründer und Vorstandsvorsitzender der Retailo AG den Markt für Gutscheine durch die Einführung der ersten elektronischen Gutscheinkarten und deren POS-Vertrieb über zehntausende Gutscheinkartenregale und Online-Plattformen disruptiert und eine bis heute überaus erfolgreiche neue Warengruppe in den Multi-Channel-Einzelhandel eingeführt. 2013 verkaufte er das Unternehmen an Blackhawk aus dem Silicon Valley, USA. Als Business Angel engagiert er sich für Start-up Unternehmen und gibt dabei seine Expertise als erfolgreicher Unternehmensgründer weiter.NEUE IMPULSE GESUCHT?
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Expertin für Erlebniswelten, Geschäftsführerin | Chocoversum
Als Kind war ich fasziniert von magischen Welten, in denen Abenteuer und Zauberei Wirklichkeit wurden. Heute darf ich in einer Branche arbeiten, die genau das möglich macht: Freizeitparks und Erlebniswelten, in denen wir Gäste in fantastische Welten entführen. Wir schaffen Orte, an denen unvergessliche Momente entstehen. Der Markt wächst rasant, und jeden Tag entstehen neue Konzepte. Doch es gibt einen Punkt in der Customer Journey, der oft vernachlässigt wird: das Shoppingerlebnis.
Der Shop – das ungenutzte Potenzial
Zu oft bleibt der „Shop“ ein Nebenschauplatz – ein Bereich, den jemand „noch nebenbei“ managen soll. Mit schmalen Budgets und fehlender Professionalisierung wird hier Potenzial verschwendet. Dabei ist gerade der Shop das emotionale Finale der Customer Journey, das große Abschlussfeuerwerk, bei dem wir Gäste ein letztes Mal verzaubern und ihnen unvergessliche Erinnerungen mit auf den Weg geben könnten. Zudem könnte er einen erheblichen Beitrag zur Stabilität und Profitabilität unserer Attraktionen leisten – wenn wir bereit wären, in diese Magie zu investieren.
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Neulich fand ich mich auf der Geburtstagsfeier meiner Schwester in einer Diskussion über die Konsumgewohnheiten der Generation Z wieder. Ich fühlte mich ein wenig wie Marty McFly in „Zurück in die Zukunft“ – mitten im digitalen Zeitalter, in dem Likes und Follower mehr wert sind als der klassische Kassenzettel. Willkommen in der Welt der „Zoomer“, wo der virtuelle Applaus den traditionellen Einkaufsbummel ersetzt.
Die Ära der Digital Natives
Länger beschäftige ich mich schon mit der Generation Z, geboren zwischen Mitte der 1990er und frühen 2010er Jahren, die das Einkaufen neu erfunden haben. Während wir noch daran gewöhnt sind, dass der Samstagmorgen dem Wocheneinkauf im Supermarkt gehört, haben die „Zoomer“ bereits den nächsten Trend auf TikTok gesichtet und bestellen ihren Avocado-Toast mit einem Klick.
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Anke Heppner
Head of POS Marketing | Douglas
In meiner langjährigen Arbeit im Handel und im Marketing habe ich eines gelernt: Kunden wollen mehr als nur Produkte. Sie suchen nach Erlebnissen, nach Geschichten und nach einem Gefühl, das bleibt, wenn sie das Geschäft wieder verlassen. Doch wie schaffen wir es, den stationären Handel in Zeiten der Digitalisierung und des steigenden Nachhaltigkeitsbewusstseins zu einem solchen Erlebnis zu machen? Die Antwort liegt in der klugen Verbindung von Technologie, Kreativität und Verantwortung.
Kein Luxus, sondern bald Notwendigkeit: Retail Media Networks
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Senior Account Director Enterprise | Scala
Der Supermarkt, in dem ich samstags einkaufe, hat seit Kurzem ein besonderes “Regal”: Hier steht ein innovatives Produkt, das mindestens 70% Marge erreicht – im Gegensatz zu den sonst üblichen mageren 5%. Kein Schwund, kein abgelaufenes Haltbarkeitsdatum – und die Wachstumsprognosen sind so phänomenal, dass der Händler dieses Angebot weiter ausbauen will.
Klingt unglaubwürdig? Ok, ich ergänze: Es geht nicht um ein physisches Produkt, sondern um einen neuen Geschäftsbereich im Einzelhandel: Retail Media Networks.
Stores verkaufen Werbeflächen an Marken. Direkt am POS, wo Kunden kurz vor der Kaufentscheidung stehen. Sehr praktisch, sehr wirksam.
Kundenzentrierung im Omnichannel Umfeld
Kundenzentrierung im Omnichannel Umfeld
Melanie Kleemann
Customer Ambassador | Expertin für Omnichannel Retail
Kundenzentrierung: vom Papiermonster zum Königsweg:Der Kunde ist König. Mindestens. Für viele Unternehmen ist er schon Kaiser – jedenfalls tragen Marketing und Vertrieb diesen Anspruch vor sich her. Ihre Versprechen: Individualisierung, Personalisierung, Erreichbarkeit, Service … Real erlebe ich bei vielen Retailern jedoch eine ganz andere Welt. Minutenlange Warteschleifen, nicht-personalisierte Onlineshops, verschwindende Warenkörbe etc. Behandelt man so eine Königin? Selbstverständlich nicht. Es ist Zeit, Kundenzentrierung wirklich umzusetzen – sonst tun es andere. Dafür ist es am besten, sich dem Thema rückwärts anzunähern, aus der Sicht der Kunden. Unternehmen müssen wegkommen vom reinen Customer Journey Mapping, welche dann plakatweise ganze Flure in Büros schmücken, um zu demonstrieren, wie stark wir uns mit dem Kunden beschäftigen, hin zum aktiven Customer Journey Management.