Logo the Retaiol Academy

29. September 2020 | Schwerpunkt Entscheidungen

Was ist ihr nächster strategischer Zug

Executive Creative Director | THE STORE DESIGNERS®

Wie treffen Sie Entscheidungen? Haben Sie sich je diese Frage gestellt? Die letzten sechs Monate haben uns als Gesellschaft vor grundlegende, existenzielle, moralische und ethische Fragen gestellt und am Ende Entscheidungen gefordert. Von jedem Einzelnen, ob er eine Maske trägt. Von jeder Familie, ob sie die Großeltern isoliert. Von jedem Unternehmer, ob er recht- oder unrechtmäßig Fördergelder nimmt. Von jedem Geschäftsführer, ob er Mitarbeiter entlässt. Von jedem Aktionär, ob er auf Bonuszahlungen verzichtet. Von jedem Kleinkünstler, ob er seine Passion aufgibt. Von jeder Pflegekraft, ob sie sich den Gefahren aussetzt. Von jedem Politiker, ob er der Verantwortung gewachsen ist. Von jedem Dienstleister, ob er sich für Geld demütigen lässt. Von jedem Narzissten, ob er das Beste für sich rausholt.

Ich habe mich wieder erinnert, wann und wie ich gelernt habe, Entscheidungen zu treffen. Das war vor genau 20 Jahren in Russland. Ich gehörte zu einer Gruppe von zehn Kollegen, die Ingvar Kamprads persönlichen Traum realisieren durfte – das erste IKEA-Haus in Russland.

Ich war damals Mitte zwanzig, als ich das erste Mal Moskau sah. Warum ich mich für das Projekt entschied? Nennen Sie es einfach Idealismus. Unser Team war von dem Gedanken getrieben, als erstes westliches Unternehmen den russischen Markt zu verstehen. Im Gepäck unsere deutschen, schweizerischen und schwedischen Reisepässe, unsere demokratischen Grundwerte und kiloweise Tchibo Bohnenkaffee.

Ich habe Russland geliebt, vom ersten Tag an. Und obwohl die Standardregel für uns „Experts“ lautete, niemals den Standort zu wechseln oder in ein fremdes Fahrzeug zu steigen, war mir klar, ich wollte dieses Land außerhalb der Fünf-Sterne-Hotelmauern, der sicheren Deutschen Botschaft und dem altbekannten, blauen Wellblech kennen lernen. Den Zugang zu dieser Welt öffnete mir unser damaliger Administrationschef Peter Pärtma. Er lebte zu dieser Zeit als Einziger von uns in einer russischen Wohnung in einem Stadtteil Moskaus und sprach als Einziger die Landessprache.

Peter führte mich in die russische Welt ein, indem er mich eines Tages vor einer verwahrlosten Villa absetzte, mit dem Hinweis, er hole mich in exakt drei Stunden an exakt dem gleichen, gusseisernen Tor wieder ab. Da stand ich nun vor der alten Villa aus der Jahrhundertwende und traf wohl eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens: Ich trat ein. Knarrende Dielen, verblasste Spiegel, vergilbte Kronleuchter und etwa fünfzig russische Männer, die sich schweigend in Reihe gegenübersaßen. Es war eiskalt und roch nach nassen Filzmänteln, Kaminholz und alten Männern. Bis auf das Klacken der Schachuhren und der Spielfiguren auf den Holzbrettern war es still. Ich war Mitte zwanzig und die einzige Frau im Saal. Ich sprach kein einziges Wort Russisch, niemand im Raum sprach Englisch, nur ein paar Brocken Kriegsdeutsch bestehend aus „kämpf“, „lauf“ und „tot“.

Ich wollte Schach lernen. Man stellte einen Tisch in die Mitte des Saals und wies mir einen Platz zum Vorspiel zu. Ich kämpfte wie eine Löwin und war in zwei Minuten tot – und aufgenommen. Die einzigen drei Worte, die ich je von meinem russischen Gegenüber hörte, waren: „Ich, dich, trainiere“. Von da an setzte mich Peter Pärtma jeden Dienstag und Donnerstag vor der alten Villa ab. Und damit war ich in der russischen Kultur angekommen.

Wenn man Schach lernt, lernt man, Strategien und vor allem Entscheidungen zu treffen. Mein russischer Lehrvater war damals schon weit über 70 Jahre alt. Durch die Sprachbarriere blieb mir nichts anderes übrig als Züge zu wagen, ohne vorher um Rat zu fragen, und meine Erfahrungen durch Ausprobieren zu sammeln. Bei jedem Zug, den ich unüberlegt oder zu schnell tat, schlug mein russischer Schachmeister mir auf die Fingerspitzen. Wenn ich jedoch etwas gut machte, schwieg er. Wie im wahren Leben. Auf diese Weise lernte ich, die richtigen Entscheidungen zu treffen – durch Schmerz. Und ich begriff nach einer Weile, wie das Spiel des Lebens funktioniert. Zuerst beobachtet man das Feld, dann überlegt man sich seine Strategie und wägt taktisch ab, zu welchem Preis es Bauernopfer geben wird. Dann trifft man eine klare Entscheidung, im vollen Bewusstsein seiner Verantwortung als König. Denn das Spiel ist erst zu Ende, wenn der König fällt. Jedoch ist auch der König ohne sein Team nichts wert.

Mein russischer Lehrer wird heute längst verstorben sein. Und ich bin nicht mehr Mitte zwanzig, sondern Mitte vierzig. Nichtsdestotrotz musste ich in den letzten sechs Monaten oft an meinen Winter in Moskau denken.

Entscheidungen treffen ist nicht leicht. Und auch, wenn es manchmal richtig schmerzt, kommt es immer vor allem auf eines an: die richtige Strategie. Ob Sie Ihre Unternehmung reduzieren, Fördergelder recht- oder unrechtmäßig annehmen und Mitarbeiter entlassen oder ob Sie investieren, in Infrastrukturen, neue Konzepte, Marketing und Vertriebskanäle, wird niemand für Sie entscheiden.

Aber eines kann ich Ihnen mitgeben: Fragen Sie sich immer, welche Strategie hinter Ihrer Entscheidung steht und welches Team Sie für Ihre Taktik brauchen.

Nastrovje!

Wie ist sieht Ihr nächster strategischer Zug aus?

Schreiben Sie mir, ich will es wirklich wissen!

Was wir außerdem anbieten

Hier geht's zum Programm Weiterbildung

Noch Fragen

Anrufen: 0221 292129-20

SIE HABEN AUCH WAS ZU SAGEN?

Wir sind überzeugt, dass nur Experten mit Herzblut den Handel nach vorne bringen können. Damit alle, deren Herz für Retail schlägt, sich vernetzen können, haben wir The Retail Academy gegründet. Sie sind erfahren und haben auch eine Meinung? Lassen Sie mal hören! Beleben Sie unsere #Retailkolumne mit Ihrer Sicht auf die Dinge! Wir sind gespannt, was Sie zu sagen haben.

Wir lieben Retail. Schreiben Sie uns!

post@the-retail-academy.com

Die letzten Retail-Kolumnen

Irgendetwas Kreatives | Schwerpunkt Berufseinstieg

Und darum studiere ich Einzelhandel!!

Joanne Schulisch

Studentin I Hochschule Düsseldorf

Das war eigentlich schon immer meine Antwort auf die Frage: „Was willst du später mal machen?“ Viel mehr habe ich mir dabei auch lange nicht gedacht. Um zu erklären, wie ich dadurch auf den Studiengang Retail Design im Einzelhandel gekommen bin, gehe ich nochmal kurz ganz an den Anfang zurück.
Schon als Kind habe ich mich für die scheinbar unsichtbaren Dinge interessiert. Stundenlang habe ich mich mit einem Würfel oder dem Blatt eines Baumes beschäftigt. Mit jedem erneuten Hinsehen, mit jedem Wenden und Analysieren gab es auch wieder etwas Neues zu entdecken. Genau das hat mich fasziniert.

Es ist dieses „Sehen mit Hingabe“, das es mir heute ermöglicht, Details präzise wahrzunehmen, die Perspektive zu wechseln und so zunächst unscheinbare Dinge immer wieder neu zu entdecken und zu hinterfragen. Dieses Beobachten und Analysieren inspiriert mich stetig dazu, kreative Konzepte zu entwickeln und neue Narrative entstehen zu lassen.

Und ist es nicht genau das, was der Handel braucht?

mehr lesen

Neuster Modetrend? Kulturelle Glaubwürdigkeit! | Schwerpunkt Authentizität

Neuster Modetrend? Kulturelle Glaubwürdigkeit!

Melanie Kleemann

Chief Sales Officer Europe | JC New Retail P&C Group

Reden wir über die Lieblingsbluse meiner Nichte. Die ist aus 100 % Hanf gefertigt, wunderbar leicht und rettet den Amazonas. Richtig gelesen: Modemarken werben längst nicht mehr nur mit Stoffen, Farben und Schnitten. Ob Gucci, Burberry, Patagonia oder Tiffany, soziales Engagement liegt im Trend. Aber halten die Marken, was sie versprechen? Das hat eine neue Metrik auf den Plan gebracht: kulturelle Glaubwürdigkeit.

Wie soziale Themen Aufmerksamkeit gewinnen…

mehr lesen

Die Zukunft ist vollplanetarisch

Die Zukunft ist vollplanetarisch

Jörg Reuter

Head of Food Campus Berlin

In den letzten 15 Jahren ging es bei vielen Food-Retailern darum, nachhaltige Sortimente erfolgreich zu machen. Neben der zunehmenden Attraktivität sich als Handelsunternehmen auf Corporate-Ebene zu positionieren ging es schlicht und einfach um Umsatz: Kund:innen mit Nachhaltigkeitsaffinität verfügen in der Regel über höhere Haushaltsbudgets und sorgen für höhere Bons. Meist erfolgte die Umsetzung in Form von sog. Nachhaltigkeits-eigenmarken.

Die letzten drei Jahre, die Jahre multipler Krisen haben an der ein oder anderen Stelle den Blick auf das Thema Nachhaltigkeit etwas getrübt. Andere Themen schienen Oberhand zu gewinnen. Doch Achtung: Wir bewegen uns mit großen Schritten auf eine Dekade im Zeichen von „Planetary Health“ zu. Ich wage hier die These, dass sich künftig Nachhaltigkeit als „Hygienefaktor“ durch alle Sortimente ziehen wird. Die Zukunft also vollplanetarisch ist…

mehr lesen

Nur Fliegen ist schöner.

Nur Fliegen ist schöner.

Dorothee Ebbinghaus

Senior Director Retail | Miles & More GmbH, Lufthansa Group

Reisen verbindet Menschen und Kulturen. Und Fliegen hat es möglich gemacht weite Strecken in sehr kurzer Zeit zurückzulegen. So sind die Verwandten in Australien, die Austauschschülerin in den USA, das Geschäftsmeeting in Singapur oder der Urlaub in Südafrika nur ein paar Flugstunden entfernt. Fliegen war schon immer ein großer Traum der Menschheit. Und ist es bis heute auch geblieben. Billigflieger hin oder her. Wenn der Flieger auf der Startbahn steht und die Triebwerke Vollgas geben, wenn der Flieger nach vielen hundert Metern langsam in die Lüfte schwebt, wenn die Welt unter einem immer kleiner wird… Es ist einfach immer wieder ein beeindruckendes Gefühl. Nun ja, inzwischen fliegen wir auch schon ins All. Aber für die meisten Menschen ist das weder greifbar (noch bezahlbar) noch wirklich erstrebenswert. CO2 und so…

mehr lesen

KI | Bilder, die die Welt verändern

KI – Bilder, die die Welt verändern

Kolja Pitz

Gründer | Plateau Candy

Am 16. März 2023 war es so weit: Das Update v5 von Midjourney, einer bildgebenden KI-Software, wurde live geschaltet und läutete ein neues Zeitalter der Bildproduktion ein. Die KI produzierte Bilder von derart haarsträubendem Fotorealismus, dass sie von echten Fotografien kaum mehr zu unterscheiden waren. Der Papst in einer Moncler-Jacke, ein frisch verhafteter Trump in Agonie – solche Bilder irritierten und begeisterten gleichermaßen auf den Social-Media-Plattformen, weil viele User sie schlicht für echt hielten. Bislang galt die Erzeugung von fotorealistischen Medien durch CGI/3D-Programme, (mit echten oder echt aussehenden) Menschen, als Königsdisziplin. Diese Produktionen waren langwierig, aufwändig und oft mit hohen Kosten verbunden. Das Update von Midjourney hat bereits jetzt spürbar das Ende dieser Ära eingeläutet…

mehr lesen

Schließen Sie sich über 13.000 interessierten Retailern an!

Verpassen Sie keine Retail-Kolumne mit spannenden Meinungen von Handelsexperten und Branchen-Insidern und werden Sie als Erste informiert, wenn wir wieder neue Weiterbildungen in Form von Online-Vorträgen, Workshops und Retail-Touren freischalten.

Datenschutz

Fast geschafft! Bitte bestätigen Sie Ihre Anmeldung über die E-Mail, die wir Ihnen gerade gesendet haben.