August 2025 | Schwerpunkt Retail Media
Retail Media zwischen Hype und Realität
Warum der Handel jetzt handeln muss
Als ich mit meiner Doktorarbeit zum Thema KI, Retail Media und Hochpreisstrategien im Lebensmitteleinzelhandel begann, war der Begriff „Retail Media“ in Deutschland noch ein Nischenphänomen. Heute ist er omnipräsent, zwischen Konferenzbühnen, Branchennews und Investment-Pitches. Retail Media ist der vermeintliche Heilsbringer: das neue große Erlösfeld für Händler, das Marketingtool für Marken, der Hoffnungsträger in markenschwachen Handelszeiten. Doch wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo zwischen Hype und Realität.
Warum Retail Media den Handel verändert
Eines ist klar: Retail Media ist kein Zusatzgeschäft, es ist ein strategisches Geschäftsmodell. Das liegt vor allem an der Marge. Während der klassische Lebensmittelhandel in Deutschland oft nur mit wenigen Prozentpunkten arbeitet, bietet Retail Media Margen von bis zu 80 %. Genau deshalb ist Retail Media für mich kein „nice-to-have“, sondern eine Kernkompetenz, die Händler genauso aufbauen sollten wie Logistik- oder Ladenbau-Kompetenz.
Vom Händler zum Medienhaus
Ein paar große Händler bauen inzwischen ein eigenes Retail-Media-Programm auf, welches weit über die klassische Handelswerbung hinausgeht. Diese Unternehmen bieten heute Leistungen an, die früher ausschließlich von Mediaagenturen erbracht wurden. Dabei umfassen die Programme z. B.:
- Zielgruppenaktivierung basierend auf First-Party-Daten
- Kampagnenbuchung sowohl auf der eigenen Plattform als auch auf externen Seiten
- Insights und detaillierte Analysen zu Konsumentenverhalten und Kampagnenperformance
- Echtzeit-Optimierung von Werbemaßnahmen
- Integration von Online- und Offline-Daten für eine ganzheitliche Kampagnensteuerung
Diese Händler wissen genau, wie sich ihre Kund:innen bewegen, online wie offline, und nutzen die Daten, um nicht nur Werbung im eigenen Ökosystem auszuspielen, sondern auch im Umfeld. Retail Media ist heute kein „Nebenbei-Geschäft“ mehr, sondern ein eigenständiger Dienstleistungs- und Erlösstrom.
Retail Media ist mehr als Sponsored Products
Retail Media macht nur dann Sinn, wenn es ganzheitlich gedacht wird: Um erfolgreich zu sein, muss die Verbindung von Online- und Offline-Welten hergestellt werden. Es geht dabei nicht nur um einige digitale Bildschirme im Supermarkt oder das nächste Werbeprospekt. Vielmehr basiert das Erfolgsmodell auf einer datengetriebenen, vernetzten und kanalübergreifenden Strategie, die eine ganzheitliche Ansprache der Zielgruppe ermöglicht. Für einen Händler, der eine Online-Kooperation betreibt, ist Retail Media in Eigenregie kaum umsetzbar. Das zeigt: Ohne digitales Fundament lässt sich Retail Media nicht skalieren.
Endemisch? Non-Endemisch?
Retail Media bietet sowohl endemischen Partnern (also Konsumgüterherstellern) als auch non-endemischen Marken (wie Versicherungen, Banken oder Telekommunikationsanbietern) neue Chancen. Wer über die Einkaufsdaten der Kunden verfügt, kann genau dann Werbung ausspielen, wenn der Moment der höchsten Kaufbereitschaft erreicht ist. Das funktioniert aber nur dann wirklich gut, wenn der Händler die Datenhoheit behält und nicht an externe Dienstleister abgibt.
Zwei Budgets, zwei Welten
In meinen Gesprächen mit Handels- und Markenvertretern kommt immer wieder ein Punkt zur Sprache, den viele unterschätzen: Retail Media und WKZ (Werbekostenzuschüsse) sind zwei getrennte Welten, werden aber in der Realität oft vermischt.
- Der WKZ ist klassisch: Der Einkäufer verhandelt über Regalplatzierungen und Promotions.
- Retail Media ist modern: Der Retail Media Manager arbeitet mit Marketingbudgets, generiert Insights und aktiviert Konsument:innen datenbasiert.
Beide Income Streams sind wichtig, aber sie sollten sauber getrennt sein, um interne Zielkonflikte zu vermeiden.
Retail Media ist kein Trend, es ist eine strategische Pflichtaufgabe.
Wer als Händler heute noch zögert, verschenkt nicht nur Geld, sondern gibt auch einen Teil seiner Kundenschnittstelle aus der Hand. Ich bin überzeugt: Die Händler, die Retail Media in den nächsten Jahren professionell aufbauen, werden nicht nur die Margenkrise besser überstehen, sie werden die Spielregeln im Marketing-Markt aktiv mitgestalten.
Unsere heutige Kolumnistin
Laura Keßler
PHD Candidate | Innovation Manager
Laura Keßler ist Wissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf Digitalisierung und Innovation im Handel. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf digitale Prozesse im Lebensmitteleinzelhandel sowie auf Erfolgsstrategien.
Seit knapp 7 Jahren ist sie in der Startup-Szene tätig und hat als Innovation Managerin erfolgreich mehrere Projekte begleitet.
Heute steht sie kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion und arbeitet derzeit an einem Projekt, das ihre Forschungsergebnisse in die Praxis überführt.
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