Omnichanel und Individualisierung
Wie der Handel auf Megatrends antwortet
Mehr als ein kurzfristiger Hype
Wer sich heute in der Retailbranche zukunftssicher aufstellen will, der setzt vor allem auf zwei strategische Wachstumsfelder: Omnichannel und Individualisierung. Retail-Unternehmen, die für sich eine Vorreiterrolle beanspruchen, zeigen durch ihre strategische (Neu-)Ausrichtung deutlich, dass sie einen klaren Fokus setzen: Auf die Verschmelzung von On- und Offline-Erlebnissen und den Ausbau von immer individueller werdender Kundenerfahrungen.
Ein Blick auf das Megatrend-Modell des Zukunftsinstituts, von dem sich auch die Retailtrends ableiten, zeigt zudem: Es handelt sich nicht um kurzfristige Hypes, die schon bald von Folgetrends abgelöst werden, sondern um tiefgreifende Veränderungsprozesse unserer Gesellschaft, die den Handel und die Art, wie wir einkaufen, langfristig prägen werden.
Wer sich also fragt, ob sich Investitionen in einen Strategiewechsel lohnen, dem raten wir, sich intensiv mit diesen Trendentwicklungen zu beschäftigen. Denn nur wer ein differenziertes Bild von der Zukunft des Handels hat, wird diese auch aktiv mitgestalten.
Konsumentenbedürfnisse haben sich nachhaltig verändert
Die globalen Entwicklungsprozesse der letzten Jahre haben maßgeblich verändert, was und wie wir einkaufen. Der Handel versucht auf die zwei prägendsten Veränderungen zu reagieren: Auf die technologische Entwicklung einerseits, die ermöglicht hat, dass Menschen und Unternehmen jederzeit und überall miteinander vernetzt sind. Und auf die veränderten Konsumentenbedürfnisse andererseits, denen ein gesellschaftlicher Wandel zugrunde liegt, der mit einem wachsenden Streben nach Selbstverwirklichung und persönlicher Freiheit einhergeht und Individualität und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt rückt.
Key facts
Fachartikel
Veröffentlichung 04. Juni 2024
Von Megatrends zu Retail-Trends
Retail-Trends entstehen nicht aus dem Nichts heraus. Sie sind immer Antworten auf tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Ihnen zugrunde liegt das, was Zukunftsforscher:innen und Trendanalyst:innen weltweit als „Megatrends“ bezeichnen, ein Begriff, der 1982 durch den amerikanischen Zukunftsforscher John Naisbitt mit seinem Buch „Megatrends: Ten New Directions Transforming Our Lives“ geprägt wurde und seitdem fest etabliert ist.
Megatrends beschreiben langfristige, vielschichtige und tiefgreifende Veränderungen, die Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Ökonomie, im Konsum, im Wertewandel, im Zusammenleben der Menschen, in den Medien oder auch im politischen System zeigen. Die Trends prägen unser Leben über Jahrzehnte hinweg und haben eine globale Reichweite.
Megatrends zeigen demnach das große Ganze für Gesellschaft und Wirtschaft auf, während Retail-Trends als die aus diesen Veränderungen hervorgegangene spezifischen Ausprägungen und Adaptionen des Einzelhandels zu verstehen sind. Als hervorragende Quelle für eine umfassende Trendforschung und Analyse rund um Megatrends ist das @Zukunftsinstitut. Mit seiner „Retail-Trend-Map“ hat es eine Visualisierung geschaffen, die beiden Sphären miteinander vereint und damit ermöglichen will, die handelspezifischen Trendentwicklungen im großen Kontext zu verstehen.
Megatrend Konnektivität bringt Omnichannel Retail hervor
So hat der Megatrend Konnektivität durch die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung der Welt durch die Verbreitung von Internet und mobilen Endgeräten und damit die rasante Entwicklung im Bereich E-Commerce und mobile Shopping dazu geführt, dass Konsument:innen heute erwarten, jederzeit und überall einkaufen zu können. Und dass sie sich dabei ein konsistentes und kohärentes Einkaufserlebnis wünschen, unabhängig davon, welchen Kanal sie nutzen. Als Reaktion haben Einzelhändler begonnen, an zentralisierten Datenverwaltungen zu arbeiten, damit sowohl On- als auch Offline-Systeme auf dieselben synchronisierten Lagerbestände, Bestellungen und Kundenprofile zurückgreifen. Zudem wurden neue Fulfillment-Lösungen wie „Click & Collect“ oder „Buy Online, Pick Up In Store“ (BOPIS) eingeführt, um die flexible Nutzung der Kanäle noch zu erweitern.
Megatrend Individualisierung hebt Kundenerlebnisse auf ein neues Level
Auf die gleiche Weise hat der Megatrend der Individualisierung, der das zunehmende Streben nach Selbstverwirklichung und persönlicher Freiheit in allen Lebensbereichen beschreibt, dazu geführt, dass Menschen vermehrt nach Möglichkeiten suchen, ihre einzigartigen Persönlichkeiten und Lebensstile zum Ausdruck zu bringen. Vor allem soziale Medien als Plattformen für Selbstdarstellung und Identitätsbildung haben dazu beigetragen, dass sich auch Einkaufspräferenzen verlagert haben: Die Nachfrage nach anpassbaren und einzigartigen Produkten, die den persönlichen Stil und die eigene Individualität widerspiegeln, und damit auch psychologische Faktoren wie das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Identitätsbildung stärken, hat rapide zugenommen. Und so hat auch der Einzelhandel mit diversen Maßnahmen reagiert, die wir heute unter dem gleichnamigen Retail-Trend Individualisierung subsumieren. Das betrifft nicht nur das Angebot von Produkten als Maßanfertigungen oder mit Personalisierungsoptionen, das sich in zahlreichen Retail-Bereichen inzwischen durchgesetzt hat, sondern auch das Thema Curated Shopping oder die zunehmend hyperpersonalisierte Kundenansprache.
Da hierfür technologische Voraussetzungen von Datenanalyse und KI gegeben sein müssen, wird deutlich, dass besonders die Trends Konnektivität und Individualisierung eng miteinander verzahnt sind und sich mitunter gegenseitig bedingen.
Schauen wir uns daher ein paar konkrete Beispiele beider Trends an.
Omnichannel und Individualisierung: Beispiele aus der Praxis
PRE-SALE-PHASE
IN-SALE-PHASE
AFTER-SALE-PHASE
No pain, no gain: Die Herausforderungen von Neuausrichtungen
Die Beispiele zeigen, dass es sich bei den meist weitreichenden strategischen Neuausrichtungen der Unternehmen nicht um kleine, zeitlich begrenzte Projekte handelt, an denen ein Einzelteam innerhalb des Unternehmens arbeitet. Ganz im Gegenteil. Vor allem der Bereich Omnichannel hat mit der Integration der Kanäle Auswirkungen auf so gut wie alle Unternehmensstrukturen und -prozesse. Das beginnt beim Mindset von Führungspersonen, die entsprechende übergeordnete Unternehmensziele definieren müssen und endet bei jedem Mitarbeitenden, der wissen sollte, welchen Beitrag seine Arbeit für dieses Ziel leistet. Unternehmensweites Alignment und ausgefeiltes Schnittstellenmanagement sind hier essenziell. Die Implementierung solch umfassender Neuausrichtungen kann viel Trial-and-Error notwendig machen und ebenso viel Gegenwind erzeugen. Hier sind Commitment und Ausdauer gefragt, die auch mit erheblichen Investitionen einhergehen. Doch die Alternative, am Status-Quo festzuhalten und sich den neuen technologischen Entwicklungen und veränderten Kundenbedürfnissen zu verschließen, wird die meisten Retail-Unternehmen bei dem aktuellen Wettbewerbsdruck früher oder später in die Knie zwingen.
Daher geben wir ihnen abschließend 10 Punkte an die Hand, die für die erfolgreiche Implementierung einer Omnichannel-Strategie notwendig sind:
- Eine geeinte Vision von Vorstand und Geschäftsführung
- Klar abgestimmte Unternehmensziele zur Erreichung der Vision
- Eine Umsetzungsstrategie, die alle Mitarbeitenden einschließt
- Omnichannel-Verantwortliche als Mittler zwischen Geschäftsführung und einzelnen Abteilungen zur Sicherstellung des Alignments und Projektfortschritts
- Realistische Budgetplanungen für die Modernisierungen
- Ausbau von IT-Infrastrukturen
- Erfassung und Analyse von Kundendaten
- Effizienz von Logistikprozessen
- Schulung und Transformation der Mitarbeitenden
- Finanzielles Durchhaltevermögen (ggf. Unterstützung durch Investoren)
Klingt viel? Ist es auch. Aber die Chancen und Potenziale sind ungleich höher. Daher möchten wir Sie dazu ermutigen, sich den Veränderungen unserer Zeit voller Neugierde und Optimismus zu öffnen.
Schlussgedanken
Retail-Trends sind nicht nur Reaktionen auf aktuelle Marktbedürfnisse, sondern auch Spiegelbilder tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. Die Fähigkeit, diese Trends frühzeitig zu erkennen und erfolgreich in die eigene Strategie zu übersetzen, entscheidet über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Megatrends wie Individualisierung und Konnektivität bieten immense Chancen, verlangen jedoch auch eine durchdachte und integrierte Herangehensweise. Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern, werden nicht nur im Wettbewerb bestehen, sondern ihren Kund:innen auch ein wirklich einzigartiges und relevantes Einkaufserlebnis bieten können.